Fotoprojekt CORONA
Ich wollte schon seit langem einmal einen Fotokurs zu einem gesellschaftlich und politisch relevanten und aktuellen Thema anbieten. Mit nicht gänzlich vorbestimmtem Ziel, außer dem didaktischen natürlich, aber doch mit der Vorstellung, dass es angemessen und bestimmt lohnend wäre, damit in irgend einer Form an die Öffentlichkeit zu gehen.
Dann kam Corona. Und während ich noch so gemütlich durch die ersten Tage des Lockdowns im März 2020 dümpelte, wurde mir plötzlich klar, dass dieses hier, die Corona-Pandemie und unser Leben in und mit der Corona-Pandemie, genau das Thema war, auf das ich gewartet hatte. Ein Ereignis von großer gesellschaftlicher Relevanz, neu und unbekannt, das ratlos und betroffen macht, dem niemand ausweichen kann, ein Ereignis, das von der Gesellschaft und ihren Individuen unausweichlich eine Haltung herausfordert. Und was könnte besser geeignet sein, eine Befindlichkeit auszuloten und zu untersuchen, ein Verhältnis klarzustellen und zu beschreiben und schließlich eine Haltung zu formulieren – was könnte dazu besser geeignet sein als künstlerische –, als fotografische Auseinandersetzung?
Gesagt, getan: Am 28. März 2020 schickte ich eine Ausschreibung für einen Online-basierten Fotokurs mit dem Titel „Alltag in Zeiten von Corona“ an einen kleinen Verteiler von Fotointeressierten. 24 Stunden später war der Kurs ausgebucht. Und noch einen Tag später habe ich die ersten Fotos per Email zugeschickt bekommen.
Offensichtlich hatten alle zu Hause herumgesessen und nur darauf gewartet, endlich die Kamera herausholen und fotografieren zu dürfen, um dieses so irritierende und fremde Ereignis endlich irgendwie angepackt zu bekommen.
Wie so viele damals, ging auch ich in der irrigen und vollkommen irrationalen Annahme, die Sache sei bestimmt in zwei Monaten ausgestanden. Dann könnten wir in Ruhe ein nettes Buch machen, das wir spätestens im Herbst in Händen halten würden. Als sich abzeichnete, dass dem nicht so sein würde, beschloss die Gruppe überraschend einhellig, das Thema so lange weiter fotografisch begleiten zu wollen, bis es … – das Ziel wurde nicht benannt, aber ich denke, wir können sagen: bis es seine Relevanz verloren haben würde. Das war Mitte Mai 2020. Seitdem fotografieren wir und sprechen oder schreiben über die entstandenen fotografischen Arbeiten.
Die Gruppenarbeit „Fotoprojekt CORONA“ wird einen Abschluss haben, wenn es so weit ist. Ein Buch, eine Ausstellung, ein Portfolio, was auch immer uns geeignet erscheinen wird. Diese Website ist indes nicht der Abschluss des Projekts und auch nicht eine Etappe auf dem Weg dorthin.
Wir verfolgen mit diesem Online-Auftritt zwei Ziele: Zum einen wollen wir uns selbst des zurückgelegten Wegs vergewissern, wollen sehen, was wir haben, sehen, was bisher geschehen ist. Zum anderen wollen wir uns leise aber vernehmlich öffentlich zu Wort melden, wollen, lange bevor wir am Ziel sind, ohne jede Endgültigkeit schon mal unverbindlich Bescheid geben, dass wir uns in Bewegung gesetzt haben und da an etwas dran sind. Coronamäßig und so. Mit Fotos.
Karl v. Westerholt
Projektleitung